„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“

Markus 9,24


Noch mal Weihnachten

gesendet in Radio Bremen 2 am Montag, den 6. Januar 2020

Heute ist noch mal Weihnachten. Frohes Fest! Nein, Sie haben sich nicht verhört. Am 6. Januar feiern Christen die Geburt Jesu – schon lange, bevor der 25. Dezember ins Spiel kam. Der Grund dafür liegt bei den alten Ägyptern. Sie feierten am 6. Januar den Frühlingsgott Horos, die Wintersonnenwende. Das Erscheinen des Lichtes. Epiphanias, Erscheinungsfest, ist auch ein Name dieses Tages. Bekannter ist der Name Dreikönigstag. Denn die Weisen aus dem Orient machten sich auf, dem neugeborenen König in Israel zu huldigen. Die Legende machte daraus drei Könige – Symbole der damals bekannten Kontinente, Afrika, Asien und Europa. Und aller Generationen. Allen Menschen lässt Gott sein Licht aufgehen – und das nicht nur durch die länger werdenden Tage nach der Wintersonnenwende. Nun auch und gerade mit Jesus! Er bringt Gottes Licht zu den Menschen. Mehr noch: Er ist selber dieses Licht.

Dann feiern wir ihn doch an diesem Tag, wenn wir eh das Licht feiern! – sagten sich die frühen Christen. Das war dieser 6. Januar. Die Kirchen des Ostens, in Russland und im Slawischen, die halten diesen Termin. Im westlichen Rom wanderte dann die Feier von Jesu Geburt auf den 25. Dezember. Das ist dasselbe in grün, pardon, auf westlich-römisch: feierten doch die alten Römer am 25. Dezember ihre Wintersonnenwende. Doch als das römische Heidentum aus der Mode kam und das Christentum zur bestimmenden Religion wurde, da trat auch der römische Sonnengott zurück. Und hervor trat Christus und die Feier seiner Geburt.

Damit war der 6. Januar im Westen nicht einfach weg. Am 25. Dezember feierte man die Geburt im Stall, die Krippe und die vom Engelgesang aufgescheuchten Hirten. Und am 6. Januar die Weisen oder Könige, die auch zur Geburtsstätte zogen. In Spanien gibt es an diesem Tag die Geschenke.

Und was soll man nun glauben? War Jesu Geburt am 25. Dezember oder am 6. Januar? Man weiß es nicht. Niemand hielt sein Geburtsdatum fest. Vermutlich wohl ein ganz anderer Tag. Was soll man denn nun glauben? Den frühen Christen war das mit dem Datum offenbar nicht so wichtig. Ihnen ging es um die Sache. Christus ist das Licht, Gottes Licht in unserer Welt. Und die ist oft so dunkel. Da kommt so ein Licht doch gerade recht! Weihnachten und Epiphanias sind ganz klar eins: Freudenfeste. Na dann, bitte freuen Sie sich. Heute. Am besten jetzt sofort.


Der Glaube zwischen groß und klein

gesendet in Radio Bremen 2 am Dienstag, den 7. Januar 2020

„Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Ein verzweifelter Vater schreit das Jesus ins Gesicht. Jesus soll seinen Sohn gesund machen. Nur – kann der das?  Wie oft hoffte der Vater auf Ärzte, Heiler, Retter. Doch sein Sohn blieb krank. Und all die Träume von einem guten Leben für seinen Sohn wurden enttäuscht. Aber er darf doch nicht aufgeben! – und spürt zugleich, wie Hoffnung und Kraft ihm ausgehen.

„Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Ich höre, wie verzweifelt dieser Schrei aus dem Vater heraus fährt – dieser Schrei ist nun die biblische Jahreslosung für das neue Jahr 2020: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“

Glaube – keine einfache Sache. Immer wieder höre ich Sätze wie diese: „Das muss jeder selber wissen.“ – „Das ist was für die, die das brauchen.“ – „Ich glaube nur das, was ich sehe.“ – „Die Leute, die glauben, die wissen es doch auch selber nicht.“ Und dann frage ich mich: Ist Glaube denn klein und unwichtig?  Steht er hinter dem Wissen zurück? Ist er nur den einzelnen überlassen? Es wird getan, als sei er was von gestern und für die, die ihn nötig haben.

Zugleich bleibt die Frage: Wie kommen die Glaubenden darauf? Habe ich was nicht mitbekommen? Wissen die mehr als ich?

Der Vater mit seinem kranken Sohn ist voller Hoffnung auf Heilung. Zugleich ist da die Verzweiflung: Das bringt doch alles wieder nichts! Soll er diesem Jesus nun glauben und vertrauen? Oder muss er skeptisch bleiben? Nur wieder keine neue Enttäuschung!

Viele Menschen stehen um diese Szene herum. Sie hören, sie sehen zu. Heute hätten einige schon ihr Handy gezückt, um das zu filmen. Das ist spannend. Was wird daraus, was geschieht? Haben die Recht, die das Glauben klein machen – oder ist der Glaube doch eine gr0ße Sache, eine Kraft, eine Wende ins Heil und ins Leben hinein? Gibt es diese Wende – vom Unglauben zum Glauben?

Der Schrei des Vaters lässt das offen: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Der Vater spürt beides: den Glauben wie den Unglauben. Sein Sehnen, sein Hoffen, sein Wollen sind nicht zu leugnen. Zugleich – er weiß das alles nicht, er ist verstört, er will sich auch nicht blamieren. Auch für ihn ist das alles nicht einfach. Aber er steckt voll drin. Keine einfache Sache mit dem Glauben – und zugleich stecke ich mitten drin. Stecke zwischen Glauben und Unglauben. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“


Der Schrei

gesendet in Radio Bremen 2 am Mittwoch, den 8. Januar 2020

„Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Die biblische Jahreslosung für 2020 ist ein Schrei. Der Schrei eines besorgten Vaters in Jesu Ohren. Nicht mal so eben dahin gesagt, nicht mal von sicherer Warte alles abgewogen und dann gesprochen, voller Bedacht. So ist das nicht mit dem Glauben. Und die Leute haben Recht, die sagen: Das ist was für die, die es nötig haben. Nur – wo ist denn der, der es nicht nötig hätte!

Das ist der Schrei, uns Menschen in die Seele gelegt. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Wo komme ich her, wo gehe ich hin, hat das hier einen Sinn, hat er Herkunft und Ziel – oder ist alles nur ein Spiel? Soll ich das Leben hier wagen, oder soll ich´s verklagen, mit all seinen Lasten, mit dem täglichen Hasten, soll durch´s Leben ich irren, lässt es sich denn entwirren? Soll ich gut funktionieren, mit Genuss imponieren, mir selbst und den andern, was soll dieses Wandern? Muss erfolgreich was leisten, dafür gibt´s dann am meisten. Das kann ich dann zeigen, bis das Leben zu neigen sich einmal beginnt. Doch da dran zu denken, vergess´ ich geschwind. Suche Nähe und Liebe – und spür doch oft Hiebe, die das Leben mir gibt. Das Leben. Wer ist das? Was soll das? Steckt da irgendwas drin, was mir sagt, wer ich bin? Und ich beruhig´ meine Seele mit Konsum und belehre mein Herz mit dem Wissen, das mir wird angepriesen, dann hätt´ ich mein Leben im Griff und auf Kurs blieb mein Schiff. Doch wo kommt es her, und ich fahre über welches Meer, und zu welchem Hafen? Kann mir das einer sagen? Ich suche und bange und beschäft´ge mich lange mit allem, was mir hilft, diesen Fragen zu entgehen. Mein Herz bleibt bei stehen. Auch ich such´ den Glauben, und spür´ den Unglauben. Den Schrei unterdrück´ ich. Das tut man nicht, füg dich!

Der zivilisierte Mensch, der angepasste Zeitgenosse: schreit er nicht nach Liebe, Leben und Dauer? Der funktionierende Rollenträger, der angepasste Konsument: entfährt nicht auch ihm ein einziger stummer Schrei nach Leben? Sind so viele Menschen nichts anderes als Missgestalten, die glauben und vertrauen möchten und es doch nicht können? Ich will doch mein Leben als ein gutes Ganzes. Menschen und Gott will ich vertrauen. Will eine tiefe, verlässliche Zugehörigkeit.  

Der Schrei des besorgten Vaters, die Jahreslosung 2020, wird zum Schrei der Befreiung. Jesus entgegen geschrieen: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“


Das Zauberwort des Glaubens: Dennoch!

gesendet in Radio Bremen 2 am Donnerstag, den 9. Januar 2020

 „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Um den Glauben geht es in der neuen Jahreslosung. Und sofort steht er wieder da, dick und breit und fett und vor allem im Wege: der Unglaube. Der Vater des kranken Jungen hatte sich auf den Weg gemacht. Voller Vertrauen, voller Hoffnung. Jetzt steht er da und fragt sich: Kann Jesus wirklich helfen? Die Hoffnung auf Besserung, ja auf Heilung: sie machte das Vertrauen groß. Aber jetzt, im entscheidenden Moment – und du weißt nicht, wie es ausgeht – jetzt verlässt ihn der Mut. Verlassen ihn Glauben und Vertrauen.

Jeder Mensch, der glaubt, wird das kennen. Der Unglaube steht auf einmal mit da. Dick und breit und fett und vor allem: im Wege. Die Stimmen sind plötzlich da, raunen und wispern all die Enttäuschungen und Befürchtungen, die die Seele kennt.  All die Fragen und Zweifel, die Geist und Verstand bewegen. Du weißt es doch nicht. Ist es nicht alles ein bisschen verrückt? Und was denken die andern jetzt von dir? Hat doch keiner Gott je gesehen. Und ich bin versucht, mich nur auf mich selbst zu verlassen.

Dem Vater bleibt nur doch der Schrei: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Allen Fragen und Zweifeln zum Trotz, mit denen er nur bei sich selber bleibt und bei den Bedenken der Umstehenden, allen Hindernissen zum Trotz tritt er dennoch aus sich selbst hervor und springt Jesus gewissermaßen in die Arme. Dennoch!

Ein bisschen wie früher, als wir Kinder waren. „Komm in meine Arme“ rief der große Mensch da vor uns – und wir liefen ihm entgegen und er oder sie nahm uns und wirbelte uns rund herum in der Luft. Ein befreites Lachen war zu hören. Da liefen wir einfach los. Und vertrauten darauf, aufgefangen zu werden – und dann käme was Gutes, was Schönes und ein Lachen. Wissen taten wir das nicht. Doch wir vertrauten darauf.

Und doch bleibt oft auch Zweifel: Ist es wirklich gut? So bleibt ein Mensch zurück hinter dem, was sein könnte. Wie gut, wenn dann einer da ist, den ich bitten kann: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Ich laufe, wie in dieser Geschichte der Vater, dennoch los. Und ich stimme ein in die Worte, die sich schon in den Psalmen finden: „Dennoch bleibe ich stets an dir, den du hältst mich bei meiner rechten Hand … und nimmst mich am Ende mit Ehren an.“


Modern glauben ohne Gott

gesendet in Radio Bremen 2 am Freitag, den 10. Januar 2020

„Ich bin eine moderne Frau des 21. Jahrhunderts und habe mit Gott nichts am Hut.“ So beginnt die bekannte Journalistin ihren Beitrag. Es geht um Spirituelles, da muss man aufpassen. Nur nicht mit Gott in Verbindung gebracht werden! Hat sie Angst, dann hört keiner mehr zu?

Ich, auch als moderner Mensch, ich sage dagegen: Ich bin ja doch in Gottes Hut! Gut behütet von Gott. Gar nicht gut, meldet sich der schlimme Verdacht. In so vielen kommt der auf beim Gedanken an Gott und den Glauben. Scheint doch in Gott alles nicht nur festgelegt, sondern auch streng bewertet. Gott sei der unbewegte Beweger, sagte man. Von dem nimmt alles seinen Ausgang. Er selber aber bleibe fest und unbewegt. Entsprechend stellte man sich dann nicht nur die Welt vor, auch die Gesellschaft, die habe Gott gefügt. Gott verstand man als die Spitze einer Pyramide von Herrschaft, und in der stand Gott ganz oben. Gleich unter ihm Kaiser, Könige und die Herren der Welt.

Mit so einem Gott habe ich auch nichts am Hut. Da ist Unglaube angebracht. Doch lese ich in meiner Bibel, dann begegnet mir ein ganz anderer Gott: Der ist sehr bewegt vom Geschick seiner Menschen! Regen Anteil nimmt er. Als das Projekt Mensch zu kippen droht, schmeißt er die Menschen keinesfalls beleidigt aus dem Paradiesgarten hinaus. Achtsam geht er auf sie ein. Er macht ihnen Kleider aus Fell, um sie zu schützen. Und in dieser Art geht es immer weiter: Gott lässt sich bewegen von den Menschen, sie liegen ihm am Herzen. Die Schreie der unterdrückten Israeliten in Ägypten hört er, ihr Elend sieht und erkennt er — und gibt ihnen den Weg in die Freiheit. So geht es weiter bis zu Jesus. Jesus zeigt uns Gottes Mitgehen mit uns. Er nimmt unsere ganze Fragwürdigkeit auf sich bis in den Tod am Kreuz. Eine äußerst bewegte wie bewegende Geschichte. Auch sie führt in die Freiheit – in die Freiheit, in der der Mensch vor und mit Gott wird bleiben können. In diesem Leben und darüber hinaus.

Die Bibel malt keinesfalls das Bild eines unbewegten Bewegers am Anfang und eines despotischen Richters am Ende. Sie erzählt von Gott, der seine Menschen am Hut hat. Im Blick und im Herzen hat er sie. Und so geschieht es, dass wir in seine Hut kommen, in seiner Hut und behütet von ihm leben dürfen. Höre ich auf diese Geschichte, dann sage ich: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“


Der Glaube der anderen

gesendet in Radio Bremen 2 am Samstag, den 11. Januar 2020

Der Glaube der anderen. Oder auch: ihr Unglaube. Beides ist für mich selber von Bedeutung. Als Mensch orientiere ich mich nun mal an Menschen. Wie leben die anderen, was finden sie gut? Ich will erkennbar ich selber sein, ja, das auch. Vor allem aber will ich dazugehören und mich nicht zu sehr unterscheiden.

Tun, was alle tun. Lassen, was alle lassen. So wie ich manchmal im Verkehr einfach hinter den anderen her fahre. Fahren doch alle so. Angeblich.

Doch ist so ein Vertrauen gerechtfertigt – oder führt es in die Irre? Eine Karikatur fällt mir ein: Ein ganzes Volk eilt auf einen Hügel – doch auf der anderen Seite stürzen sie hinab in einen riesigen Sarg. Bis kurz davor war das Gefühl: es geht berauf, nach oben. Alles gut. Und dann so was. Das Volk waren wir Deutschen. Den Nazis hinterher. Ihre Ideologie musste man gar nicht teilen. Es reichte, mitzulaufen.

Das mulmige Gefühl ist wieder da. Ist das Streben nach oben, ist dauerndes Wachstum, ist das Bemühen, dazu zu gehören doch nicht alles? Ist der Erfolg der Erfolgreichen gar doch die Niederlage für die Vielen, ja: für das Leben? Ist das, was etliche für gesund und gut ausgeben im Grunde doch nur gedankenlos und dekadent? Und die, die sich um die Zukunft des Lebens sorgen und die dann als krank und neidvoll dargestellt werden, sind die doch viel gesünder und humaner als die angeblich Erfolgreichen selber?

Aber auch das Engagement für das Leben kann zur Mode zu werden, Menschen zu Mitläufern machen.

Der Glaube der anderen. Was Leben und was Glauben ist, gucken wir anderen ab. Wie orientieren wir uns dabei? In dem, was üblich ist, wird der Glaube schnell vom Unglauben übermannt. Im Beten der Psalmen bleibe ich an einem Vers hängen. Eine Bitte: „Lass mich nicht kommen unter den Fuß der Stolzen, und die Hand der Frevler vertreibe mich nicht!“ (Psalm 36,12) Also, lass all das nicht über mich herrschen, was dich, Gott, was deine Schöpfung und das Leben nicht achtet. Und wo wir Menschen uns nur noch selber zum Anfang, zur Mitte und zum Ziel des Lebens erklären, da hilf mir zur Umkehr. Und die Hände und Füße der Gottlosen sollen mich nicht von dir und vom Glauben verscheuchen. Denn – ich glaube, hilf mir vom Unglauben, den sie mir weismachen wollen.