21. Kalenderwoche 2024 – Pfingsten – 19. Mai 2024
„Sag mal, Klaus, was macht eigentlich der heilige Geist?“
An einem Donnerstag ploppt diese Frage vormittags in meinem Smartphone auf. Ich bin gerade mit ganz anderen Dingen beschäftigt, sie erwischt mich also wie von hinten durch die Brust ins Auge. Und dann in den Gehörgang nach innen – ja, was macht der heilige Geist? Ich vergewissere mich der Schreibweise: heilig ist klein geschrieben. Beim Sprechen hört man den Unterschied nicht, die Schreiberin und Absenderin ist aber nicht die ursprüngliche (wohl mündliche) Fragerin. Wen oder was mag sie gemeint haben? Die Autokorrektur in meinem Schreibprogramm unterstreicht auch schon das klein geschriebene heilig und empfiehlt, das Wort in Großschreibung zu verändern. Also: der Heilige Geist.
Schreibt man es klein, könnte von jedwedem Geist die Rede sein – und das wird zugespitzt auf das, was den Geist und sein Handeln (es geht ja darum, was er macht) nun heilig macht. Schreibt man es groß, ist recht klar die dritte Person der Trinität innerhalb des christlichen Gottesglaubens gemeint. Eben: Der Heilige Geist. Da die Nachricht mit der Frage über eine Gruppe kam, melden sich auch gleich andere Stimmen – und nehmen den Geist auf, und sei es als eine Art Schlossgespenst. Manch einer möchte vielleicht auch wieder mal bloß witzig erscheinen. Sei´s drum!
Ich vermute, die Frage zielt aber auf den Heiligen Geist als eine Person innerhalb der christlich geglaubten Trinität. An eine Antwort muss ich mich heranpirschen. Ich versuche es erstmal so: Der Heilige Geist steht für die sich anderen (also außerhalb des göttlichen Selbst Befindlichen) zuwendende kreative und kommunikative göttliche Kraft. Er beschreibt damit als Begriff so etwas wie die Aktivität Gottes, und zwar immer auch als sein gegenwärtiges Tun (jetzt, heute). (Beispiel: Der Heilige Geist erinnert Leben, Leiden, Sterben und Auferweckung Jesu und lässt diese den Glaubenden als gegenwärtige Macht und Kraft erfahren.) Es geht also beim Geist um schöpferische Zuwendung hier und jetzt, die Menschen in eine ohne diese Erfahrung nicht mögliche Lebenslage bringt. Der Heilige Geist verändert also uns Menschen. Er schenkt Glaube, Hoffnung, Kraft, Liebe, Freude, Liebesfähigkeit.
Somit hat die Rede vom Heiligen Geist, wenn sie seinem Tun und Machen entsprechen will, immer den Gegenwartsaspekt in sich. Und sie (oder das Tun des Geistes) zieht dann auch die anderen beiden Personen der Trinität mit in dieses Geschehen, also Gott nicht nur als Geist, sondern als Vater und Sohn.
Den Vater verstehen viele nur als Schöpfer, der stände dann für Anfang und Ursprung der Welt. Den Sohn verstehen viele heute nur noch als den historischen Jesus. In der Perspektive des Geistes aber greifen diese Sichtweisen zu kurz. Das Schaffen, die Kreativität Gottes lässt sich nicht eingrenzen auf einen Anfang für sich – jeder neue Tag wird uns aus Gottes Schöpferkraft. Die Schöpfung ist noch nicht an ihrem Ziel, sie ist sozusagen noch gar nicht fertig, und das Reich Gottes offensichtlich erst recht noch nicht. Und Jesus war nicht nur irgendeine historische Person. Jedenfalls die, die an ihn glauben, erkennen in seinem Weg das Handeln Gottes mit und für uns. Das Leben, das Gott werden lässt und schenkt, die Weisung und liebende Hingabe, wie sie in Jesus geschieht, die Überwindung von Not, Schuld und Tod sind den Glaubenden keine nur zurückliegenden Ereignisse. Sie werden in ihrem Leben Ereignis. Den Glaubenden geht nicht einfach nur eine „Sache Jesu“, für die er einstand, weiter. Also nicht nur ein Inhalt oder ein sachlicher Bestandteil oder eine ethische An- oder Absicht oder so oder ein sozial-religiöses ethisches Programm. Am Ende des Matthäus-Evangeliums sagt der Auferweckte zu: „Ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt.“ Was da ins Präsens, in die immer gerade erlebte und erfahrene Lebendigkeit des Glaubens tritt, das – so könnte man sagen – das ist und das macht der Heilige Geist. Er beschreibt das personale Gegenüber Gottes hier und jetzt und heute.
Für uns heute ist er damit eigentlich ja kein verzichtbares Anhängsel im Gottesbegriff, sondern weil er auch all das, was mit dem Vater und dem Sohn gemeint ist, uns gegenwärtig macht, ist er unverzichtbar.
Das wäre mal mein allererster Versuch zu dieser Frage, über die ich weiter nachdenken werde. Für weitere Nachfragen bin ich also offen. Der Heilige Geist steht dafür, dass Glauben an Gott nicht nur eine sachliche Geschichte ist oder ein kopfnickendes Abhaken von Behauptungen, sondern dass dieser Glaube mich hier und heute in eine Beziehung stellt, die mein Leben verwandelt. Denn mit dem Geist Gottes bin und lebe ich nie nur für mich, sondern in der Beziehung zu Gott, seiner Kreativität, seinem Evangelium, seiner das Leben wandelnden Kraft. Das macht der Heilige Geist. Er verbindet mich mit Gott und den anderen.
In traditioneller Rede vom Geist gibt er sieben Geistesgaben. Die kann ich jetzt gerade nicht so abspulen, da müsste ich mich noch mal vergewissern, um nichts durcheinander zu bringen. Das trage ich dann mal nach. Man kann es sicher auch googeln. Aber wie gesagt: Die Theorie macht es nicht.
Luther im Kleinen Katechismus sagt zum Heiligen Geist:
„Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten; gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten, einigen Glauben; in welcher Christenheit er mir und allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergibt und am Jüngsten Tage mich und alle Toten auferwecken wird und mir samt allen Gläubigen in Christus ein ewiges Leben geben wird.
Das ist gewisslich wahr.“
Die Predigttexte der Pfingsttage weisen auf die tätige Wirklichkeit Gottes hin: Hesekiel 37,1-14 auf Gottes Geist, der lebendig macht – Epheser 4,11-15 auf die geistgewirkte Erkenntnis des Sohnes Gottes statt des trügerischen „Würfelns“ der Menschen, was die Wahrnehmung Gottes angeht.