16. Kalenderwoche 2024

16. Kalenderwoche 2024 – Misericordias Domini – 14. April 2024

Dies ist der Sonntag von der Barmherzigkeit Gottes. Uns in unseren Miseren wendet sich Gott herzlich zu. Er verhält sich zu seinen Menschen wie ein guter Hirte zu den ihm anvertrauten Tieren. Mit denen haben wir die biologische Lebendigkeit gemeinsam – und darum auch unsere Gefährdung, denn: „Leben ist immer lebensgefährlich.“ (Erich Kästner) Wir sind als Lebewesen in vielfältiger Weise vulnerabel, verletzlich. Diese Eigenschaft beschränkt sich nicht auf besondere Gruppen von Menschen. Zum einen gilt sie von uns allen. Wir sind von vielerlei Bedingungen abhängig, die wir zum Leben brauchen. Oft merken wir das erst, wenn eine Mangellage eintritt. Zum anderen kann sie auch die stärksten von uns erreichen. Jeder Mensch kann in die Lage kommen, Hilfe und Bewahrung erfahren zu müssen, um leben zu können.

Der Predigttext dieses Sonntags führt uns auch das vor Augen. Es sind starke Leute, die hier auftreten. Da ist Abraham, der Chef der Sippe. Ein Patriarch. Sein Wort gilt. Da ist Sara, seine Frau. Auch die hat was zu sagen. Vor allem ihre Dienstmagd hat auf sie zu hören. Und sie nimmt auch Einfluss auf Abraham. Und dann ist da Hagar, die Dienstmagd. Sie gerät ins Zentrum der Aufmerksamkeit, weil sie für ihre „Herrschaft“ (Sara und Abraham) das Kind zur Welt bringen kann, das Sara mit Abraham versagt geblieben war. Das macht Hagar nun aber stolz, und ihr Stolz stößt sich mit dem der Sara. Abraham, nun irgendwie zwischen die beiden Frauen geraten, zieht auf unübersehbare Weise den Kopf ein: er überlässt seiner Frau das Feld.

Ja, das war alles so gut gemeint gewesen. So hätte man doch zu einem Erben kommen können, und alle könnten zufrieden sein. Klappt aber nicht. Eberhard Jüngel beschreibt das so: „Am Anfang war wirklich alles gut. Sara meinte es gut. Abraham fand es gut. Und Hagar tat es gut. Hagar tat es überaus gut, Mutter zu werden. Abraham fand es ungemein gut, ein Kind zu zeugen. Und Sara meinte es mit sich selber nur zu gut. Hoffte sie doch, mit Hilfe der Leihmutter selber Mutter zu werden und ihre bedrohte soziale Geltung verteidigen zu können. Weiß Gott, in jeder Hinsicht ein guter Anfang.“

Aber doch irgendwie ohne die wirklichen Menschen und ohne Gottvertrauen gemacht. Hagar wird stolz und hochmütig, Sara sieht sich gekränkt, Abraham versucht, die Form zu wahren. Aber für eine entschiedene Position tritt er nicht ein. Der gute Anfang zerlabbert in Streit und Unsicherheit. So entsteht diese beispielhafte allzu menschliche Misere, in die Gott hinein handelt. Hagar flieht in die Wüste, bloß weg aus dem ganzen Problemwust und der kaum noch zu ertragenden Misere. An einer Wasserstelle in der Wüste (die fand sie, aber sie wollte die Freiheit) spricht sie einer an: Woher? Wohin? Sie spricht aber nur von ihrem woher. Wohin soll es auch gehen? Dann erhält sie den Auftrag, zu Hagar in Abrahams Sippe zurückzukehren. Und sie hört eine Verheißung für das Leben des Kindes, das sie in sich trägt. Gott wird ihm einen Weg ins Leben bereiten. Gott sieht, was hier geschieht. Und er lässt Hagar und ihr Kind nicht ins Leere laufen. In ihrem ganzen Elend entdeckt sich Hagar unerwartet doch in Gottes Händen und Gottes Geheiß. Sie hört, was von Gott her für sie wichtig ist. Und darin wird sie in ihrer Not erhört. Gott schreibt auf den krummen Linien unseres gut Gemeinten, das nicht gut bleibt, doch gerade. Er erweist sich als barmherziger Gott. Er ist ein Gott, der seine Menschen in sich trägt, der sie aufhebt, der sie sieht und hört und zu ihnen spricht. Er ist ein Gott, der Wege gibt und der sie eröffnet. Und es war der Hagar, als habe sie im Hören der Worte und im Erblicken des Gegenübers nicht weniger gesehen als Gott, den Erbarmer.

Du siehst mich. Das ist ein freudiges Aufmerken, kein Erschrecken. Das ist ein gewiss machendes Erleben. Ich werde gesehen. Wer mit so einem barmherzigen Blick angesehen wird, der fürchtet sich nicht. Der erhebt sich. Der geht weiter. So, als von Gott Gesehene, dürfen wir dann auch einander sehen und wahrnehmen und miteinander leben.

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