6. Kalenderwoche 2024

6. Kalenderwoche 2024 – Sexagesimae, 2. Sonntag vor der Passionszeit – 04.02.2024

Vor ein paar Wochen hörte ich eine Predigt, in der stellte der Prediger die Ohnmacht Gottes heraus. Durch die Schrift und das Wort der Verkündigung werbe Gott für die Glaubensentscheidung eines Menschen. Gott sei aber auf das von dem Menschen selber entschiedene Ja zum Glauben angewiesen. Findet der Mensch nicht in sich das Ja zu Gott, so ist Gott ohnmächtig.

Vielleicht ahne ich, was der Prediger sagen wollte: Gott zwingt niemanden. Gott bietet sich an, aber wählen muss der Mensch dann selber. Gott respektiert den Menschen und dessen Entscheidung. Da stecken überall Teilwahrheiten drin. Gott überrumpelt nicht; er geht uns „gespannt“ (wenn man diese menschliche Verstehensweise hier nehmen könnte, aber sie passt doch auch etwa zu Gen 2,19) zur Seite – anteilnehmend, sorgend, begleitend, fragend, wartend; Gott gibt seine Geschöpfe nicht auf. Aber, so die Predigt, wenn sie ihn aufgeben, dann kann Gott nichts tun. Der Mensch ist es, der den Glauben ins Leben und sozusagen in Vollzug setzen muss. Darauf läuft es dann hinaus: Du musst dich entscheiden. Und Gott könne nichts daran machen.

((Es gibt dieses alte Wort: „deus non cogit sed trahit“, Gott zwingt nicht, sondern er zieht. Da geht es auch darum, das Missverständnis eines Menschen zu vermeiden, der dann nur noch eine Marionette Gottes darstellt. Das wäre ein Mensch, der völlig selbst- und willenlos existierte. Als solche Menschen hat Gott uns nicht geschaffen, sondern als ein Gegenüber, zu dem er „Du“ sagt – und uns als Subjekte respektiert. Das wachzuhalten, ist eine wichtige Intention, auch von der Entscheidung des Menschen zu sprechen, von unserem Dabeisein Gott gegenüber. Wenn es dann aber noch heißt, Gott „zieht“, dann bedeutet das doch, dass wir uns hier nicht in einem völlig autonomen Feld bewegen. Gott wirbt um uns, und das nicht nur auf der Ebene faktenbezogener Argumente, die wir dann in intellektueller Distanz bedenken und entscheiden. Sondern ein Beziehungsgeschehen ist in Gang gesetzt. Wo immer vom Glauben die Rede ist und Glaubensgeschichten kommuniziert werden, geht es nie nur um objektivierbares Sein. Es geht keinesfalls um in Formeln oder Thesen gefasstes Leben, es geht zugleich immer um Ereignisse, in die wir Menschen einbezogen sind. Das bedeutet aber, dass wir nun immer mitzureflektieren haben, dass es hier nicht um ein objektivierbares, formelhaftes, gesetzmäßiges Geschehen geht, auch nicht um eines, das sich in bloße Fakten auflösen ließe, sondern um eine Geschichte, in die wir als ganze Menschen mit allem, was zu uns gehört, einbezogen sind. So ist unsere Freiheit als eine Freiheit vor Gott hervorzuheben, er ist kein Gott, der sich „dem Menschen überwältigend aufdrückt“ (Ratschow, Taufe, 195), aber doch einer, der uns die Möglichkeit unseres Ja zu seiner Geschichte mit uns allererst zuspielt. Denn diese wie er selbst ist nach unseren Maßen äußerst unwahrscheinlich und mit reinem Faktenscheck nicht zu gewinnen. So stellt Gott (durch b das Ergehen seines Wortes an mich) mich in eine Freiheit, die ich von mir aus nicht besitze. Das muss man eben auch sehen und nicht Gott wie mich Menschen hier sozusagen auf einer Ebene sehen. Mit Gott und Mensch sind hier durchaus verschiedene „Partner“ am Werk und im Geschehen vereint. Es ist wahr: Gott zwingt und überwältigt uns nicht. Aber wir sind auch nicht die, denen so was wie eine verbindliche Letztentscheidung über Gott und sein Wirken zustände. „Spricht denn der Ton zu seinem Schöpfer: `Was machst du?´“ (Jes 45,9) „Wir sind Ton, du bist unser Töpfer, und wir alle sind deiner Hände Werk.“ (Jes 64,7) Diese Erkenntnis fehlt meist in unseren Darstellungen vom Zusammenhang unserer Glaubensentscheidungen, und wir tun in unserer neuzeitlichen Prägung so, als ob das Leben mit uns beginnt und mit uns endet und wir uns völlig selbstbezüglich und autonom darin bewegen könnten. Genau das aber könnte auch unser uns und die Welt verheerender Irrtum sein. Ja, das meine ich, das ist ein verheerender Irrtum!))

Ich kann nur sagen: Ich habe den Weg in den Glauben anders erfahren als wie in einer autonomen Entscheidung. Verkündigung wie Bibellesen habe ich nicht so erlebt, dass mir hier ein rotes und ein grünes Schild in die Hand gegeben wurden, und dann sollte ich wählen. Für mich war es so, dass die Liebe Gottes, von der ich hörte, mich überwand. Dass sie so groß war, dass sie mich unwiderstehlich anzog. Und Gottes Wille war kein Angebot, das ich mit anderen verglich und mir dann das Beste aussuchte. Er war das Gebot des Gottes, dem ich alles verdankte. Und zuallererst, ich bin ja ich, verdankte ich Gott mein Leben. Damit befand ich mich aber in einer ganz bestimmten Situation, und das war nicht die autonome Entscheidungsfreiheit eines Menschen, der mit sich selbst beginnt und mich sich selbst endet. Und der dann auch noch über Gott entscheidet.

Diese Predigt von der Ohnmacht Gottes hat, wie angedeutet, Teilwahrheiten für sich. Aber vom Ansatz her, und das heißt: von dem Bild, das sie von Gott und vom Menschen hat, scheint sie mir – jedenfalls im Hören auf das Evangelium – so etwas wie die Quadratur des Kreises nachzuvollziehen. Und das ist etwas, das nicht geht. Denn das macht mich als den Entscheider, an dem alles hängt, zum Gott über Gott. Gott aber hat sich schon einmal derart in die Hände der Menschen gegeben. Das war auf dem Weg Jesu, der am Kreuz endete. Da hat er das ganze Nein, das wir Menschen zu Gott und seinem Christus nicht nur sagen, sondern vor allem auch leben, auf sich genommen. Und er hat Ja gesagt.

Dazu darf ich nun Ja sagen. Und mich von Christus durch das Kreuz in das Leben in der Kraft der Auferstehung hineinziehen lassen. Darin wirkt Gottes Kraft, nicht seine Ohnmacht. Mit allen Menschen, denen Gottes Liebe gilt, lasse ich mich von Gottes Liebe überwinden (und nicht gegen die, die es anders sehen und anders entscheiden) – „auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns“ (2 Kor 4,7).
Ich glaube in der Tat, dass es für mich wichtig war und auch für andere guttut, sich dieses Schrittes (ein Ja im und zum Glauben zu finden) klar zu werden und ihn bewusst zu tun. Bewusst und mit Willen Ja zu sagen (oder auch Nein), das ist immer wichtig, wo es um unser Leben geht. Aber die Kraft, die darin wirkt, ist nie nur meine eigene. Im Glauben ist es die Kraft Gottes, die mich zieht, in der er mich liebt, die mir mit den anderen gilt. Es herrscht hier nun mal kein Gleichgewicht zwischen Gott und mir, denn ich bin sein Geschöpf, und er ist ewig und ich bin vergänglich. Es herrscht hier auch keine wirkliche Freiheit der Entscheidung, denn nur im Glauben kann ich dann für den Glauben entscheiden – das heißt: ich muss da doch schon überwunden sein. Und dann sage ich Ja, nicht aus autonom-freier Entscheidung, sondern in der Einsicht, dass Gott längst mein Gott ist.

Mich auf diesen Weg zu begeben, mein Ja dazu zu sprechen, dass mir Heil und Segen bewusstwerden und an mir wirken, das macht nicht meine Entscheidung. Das macht Gott, das machen sein Wort und sein Segen. Die setzen meinen Glauben sozusagen in Kraft. Ich allein kann das nicht. Mein Ja zum Glauben vermag das nicht. Und es macht mich auch nicht besser als andere. Welchen Weg Gott mit ihnen geht? Was geht´s mich an! (Joh 21,22: „… was geht es dich an? Folge du mir nach!“)

Wo ich so in den Glauben hinein gerate, mich darin finde, da ereignet sich das Heute Gottes. Gott ist immer der präsente, gegenwärtige Gott. Oder er ist eben nicht Gott. Und auf ihn, den gegenwärtigen Gott, will ich mich ausrichten: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt euer Herz nicht.“ (Hebr 3,15, der Wochenspruch). Wörtlich: Verhärtet nicht eure Herzen wie bei der Erbitterung. Unser Herz wendet sich aus eigenen Stücken eben nicht Gott zu, sondern oft genug von ihm ab, es wird hart, und Menschen zeigen sich verbittert (über ihr Leben, die Welt und Gott). Sie sehen sich ungerecht behandelt, zu kurz gekommen, nicht genug wahrgenommen, was und wie auch immer. Was dagegen hilft, ist keine vermeintlich eigene freie Entscheidung oder so, sondern das Zuwenden Gottes.

Dieses Zuwenden Gottes haben wir nicht in der Hand. Es geschieht aus freien Stücken. Und wir hören davon im Evangelium. Wie kommt nun das Reich Gottes, das Gott mit uns beginnen will, zu uns Menschen? Der Predigttext des Sonntags aus Markus 4,26-29 erzählt – Jesus erzählt im Gleichnis –, das sei wie bei einem Menschen, der Samen aufs Land wirft. Und der Same geht auf und wächst wie von selbst, bis zur Ernte hin, das ist die Zeit, wenn Gottes Reich sich auch für und an uns vollendet. Und wir sagen dann nicht: das haben wir entschieden und gemacht, sondern: wir staunen. Wir staunen über die Wege Gottes, die nicht unsere Wege sind. Die geht er mit uns. Und sein Wort kommt nicht leer zurück.

Herr, lass uns dein Wort hören und behalten; und gib uns ein feines, gutes Herz für dich und die Menschen und deine ganze Welt. Schaffe uns ein reines Herz, das kannst nur du machen. Gib es uns. (Ps 24,4; 51,6.12-14). Und lass uns immer wieder Ja sagen – in deiner Liebe, zu deiner Liebe! Amen.

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